Testbericht ASW 20

Text und Fotos: Dieter Schmitt
Für die FAI-Rennklasse hat Gerhard Waibel beim Alexander-Schleicher-Flugzeugbau aus der Standardklassen-Maschine ASW 19 die ASW 20 mit Wölbklappen entwickelt. Dieter Schmitt hat sie für FLUG REVUE geflogen.
Ziemlich spät kam die neue Maschine für die Rennklasse der Firma Alexander Schleicher in die Luft, wenn man bedenkt, daß die Konkurrenz schon ein Jahr früher flog. Dennoch gibt man sich gelassen in Poppenhausen, und Gerhard Waibel meinte: „Dafür ist der Vogel völlig ausgegoren." Von Mangel an Aufträgen kann nicht nur keine Rede sein, sondern man muß sich am Fuß der Wasserkuppe sogar anstrengen, um mit dem ständig wachsenden Auftragspaket auch nur einigermaßen Schritt halten zu können. Es ist wie zu Zeiten des Booms der Ka 6. Das ist in der heutigen Zeit eine gute Ausgangsposition für Planung und Produktion. Allein von der ASW 19 werden acht Maschinen im Monat gebaut — ausgeliefert wurden bisher 180! von der ASW 20 verlassen sieben Einheiten monatlich die Endmontagehalle. Im Jahr des ersten Fluges und der Musterzulassung (1977) waren es bereits 50. Daran ist zu erkennen, daß trotz schwieriger räumlicher Verhältnisse, die in Poppenhausen noch immer verkraftet werden müssen, dank der enormen Erfahrung der Serienbau auch einer vergleichsweise komplizierten Maschine schnell hochgezogen werden kann. Während die ASW 20-Zelle in herkömmlicher GFK-Bauweise hergestellt wird (GFK-Schale für den Rumpf und GFK-Hartschaum-Sandwich und Rovingholm für die Flügel), wurden doch einige Teile verbessert. So hat der Vorderrumpf eine sehr feste Doppelschale zum Schutz für den Piloten erhalten, und außerdem wurde ein neuer Hartschaum als Bauelement im Flügel zur Anwendung gebracht, der sich gut bewährt hat. Die Wölbklappensteuerung ist zwar etwas kompliziert, aber doch einfacher als diejenige der ASW 12, die seit über einem Jahrzehnt ohne Beanstandungen in Betrieb ist. Billig ist diese „Mixmaschine" nicht, die allein für einige hundert Mark Kugellager trägt, aber sie wurde von Gerhard Waibel so erheblich weiterentwickelt, daß sie nun zwar aufwendiger und raffinierter ist als die der ASW 17, aber sie ist mit ihren Kulissenführungen und Kugellagern dennoch billiger in der Herstellung geworden, eine respektable Leistung! Die Überlagerungskinematik steuert den Grad der Differenzierung zwischen den Wölbklappen- und Querruderausschlägen in weiteren Bereichen als bisher üblich. Besonders interessant sind die Ausschläge in Hebelstellung 5 für den Landeanflug. Hier kehrt sich der Ausschlag der Querruder im Bereich von +30° bis +55° um, so daß durch die nach oben bis auf-8° stehenden Querruder eine starke Schränkung entsteht, wobei die Querruderwirkung ausgezeichnet ist. Der Gesamtauftrieb in diesem extremen Bereich ändert sich nur wenig, so daß eine Zurücknahme der WK-Stellung in der Landephase nicht so stark wie üblich in Erscheinung tritt. Ein typisches Durchsacken ist also nicht zu befürchten, aber alle Eigenschaften sollten jedenfalls in sicherer Höhe erst einmal durchgespielt werden, besonders dann, wenn der Pilot keine Erfahrung auf Flugzeugen mit Wölbklappen besitzt. Die bremsende Wirkung bei Stellung 5 ist so stark, daß diese Position selbstverständlich nur für den extrem steilen Landeanflug eingesetzt werden soll. Diese WK-Stellung ist ausschließlich Landestellung. Die anderen WK-Stellungen, die für den Flug vorgegeben sind, können in vier weiteren Rasten mit dem WK-Hebel eingesetzt werden. Dabei ist die Raste 4 mit + 9° vorwiegend für den Kreisflug in der Thermik gedacht, der in gewissen Bereichen auch mit 0° - entsprechend Raste 3 - geflogen werden kann. Stellung 2 bringt-6°, und die vorderste Raste hat 11° Ausschlag. Diese beiden Positionen 1 und 2 dienen also dem Schnellflug, wobei die günstigen, widerstandsarmen Geschwindigkeitsbereiche natürlich in Abhängigkeit von der Flächenbelastung deutlich variieren können, so daß unter Umständen auch die WK-Stellung 3 noch in diesen Schnellflugbereich „hineinragt". Wesentlich wichtiger als bei Leistungsflugzeugen mit starrem Profil ist deshalb das Verständnis für die Zusammenhänge von Anstellwinkel, Flächenbelastung und Lastvielfachem, um einen „Klappenflieger" optimal steuern zu können. Es ist nun einmal so, daß bei allen Apparaten durch zusätzliches, technisches Repertoire die Leistungsfähigkeit erheblich gesteigert werden kann, sofern der Benutzer zu sachgerechter Bedienung fähig ist. Mangelhaftes Verständnis und unkonzentriertes Arbeiten erzeugen Fehler, die eine optimale Anwendung ausschließen. Man denke hierbei nur an die unterschiedlichen Anforderungen bei der Bedienung von Fotoapparaten - von der Kinderbox bis zum Supersystem.

Kommt die WK-Automatik?

Wer sich zur Anschaffung eines Wölbklappenflugzeuges entschließt, wird ja um die erheblichen Leistungsunterschiede wissen und sich gern den zur optimalen Steuerung erforderlichen Anforderungen unterwerfen. Für diejenigen, die noch keine Gelegenheit hatten, Flugzeuge mit Wölbklappen zu fliegen und sich das zugehörige Wissen anzueignen, hat der Konstrukteur Gerhard Waibel im Flughandbuch in leichtverständlicher Weise zu den Problemen Stellung genommen. Gerhard Waibel antwortete auf meine Frage nach dem Stand der Entwicklung für die WK-Automatik der ASW 20, daß sie für den Geradeausflug bereits fertig sei, aber im Kurvenflug müsse ohne Antriebsenergie noch getrimmt werden. Da jedoch die CIVV für die Zulassung der Anlage bei Klassenwettbewerben zuständig ist und dort noch keine Entscheidung bezüglich der Einführung getroffen wurde, ist die Entwicklung im Augenblick gehemmt. Sollten nicht mehrere zuverlässig arbeitende Systeme zum Einbau in verschiedenen Mustern zur Verfügung stehen, so ist damit zu rechnen, daß die Einführung überhaupt unterbleibt. In Poppenhausen ist man jedenfalls bei einer positiven Entscheidung für die eigene Entwicklung sehr optimistisch. Entsprechend den bewährten Mustern ASW 12, 15, 17 und 19 ist die Montage einfach, wobei der Zunge- Gabelteil des Holmes durch zwei Hauptbolzen verbunden wird. Die Anschlüsse der Steuerung sind durch ein großes Handloch leicht zu kuppeln, direkt zu kontrollieren und durch verschiedene Kugelgrößen der Schnappverschlüsse gegen Verwechseln gesichert. Die Montage des gedämpften Höhenleitwerks ist schnell und sicher möglich: Die ASW 20 kann als typische Wettbewerbsmaschine in Minutenschnelle aufgebaut werden. Alle Stoßstangenführungen laufen in Lagerböcken mit Wälzlagern oder verschleißfesten Nylonbuchsen, so daß die Reibung sehr gering ist. Die komplizierte „Mixmaschine" der Wölbklappen-Querruder- Steuerung ist an einer günstigen Stelle im Rumpf - hinter dem Fahrwerkschacht - untergebracht und durch Abdeckbleche weitgehend vor Verschmutzung geschützt. Dadurch wird einer Neigung zum Blockieren vorgebeugt, aber Gerhard Waibel betont, daß die Quersteuerung in jedem Fall unbeeinflusst bleibt, selbst wenn die Kulissenführung während des Fluges einmal schwergängig werden sollte.

Gute Handhabung

Der außenliegende Antrieb der einteiligen Wölbklappen und Querruder ist durch schmale, widerstandsarme Abdeckungen auf der Flügeloberseite verkleidet. Ein Gleichlauf der WK-Steuerung ist durch die mechanische Kupplung der Stoßstangen gesichert, und die Betätigungskräfte zur Bedienung der WK-Steuerung im Flug werden durch eine Feder in einem günstigen Bereich gehalten. Bremsklappen nach dem Schempp-Hirth-System sind nur auf der Flügeloberseite vorgesehen. Natürlich kann Wasserballast aufgenommen werden, der je Flügel 60 Liter ausmacht. Das einziehbare, ungefederte Rad trägt serienmäßig Reifen der Größe 5.00-5 und gibt der Maschine gute Bodenfreiheit und einen günstigen Bodenanstellwinkel. Während der ideenreiche Edgar Krämer in seine Maschine ein einziehbares Spornrad eingebaut hat, das voll durch kleine Türchen abgedeckt wird, hat die Serienmaschine einen aerodynamisch geformten Sporn aus Poly-urethanschaum, der stark progressiv einfedert. Eine Kombikupplung sitzt deutlich vor dem Fahrwerk, wird aber durch die Fahrwerktüren voll abgedeckt. Um die Flügelspitzen vor Beschädigungen zu schützen, sind sie nach unten gezogen, so daß sie als Schleifkufen wirken. Große Beachtung hat man der Belüftung geschenkt, die schon bei der ASW 17 - selbst in tropischen Zonen - gelobt wurde. Die Entnahme der Luft erfolgt durch zwei unter dem Flügel im Rumpf eingelassene NACA-Hutzen, wird durch Kanäle zum Vorderteil der Haube geführt und bespült durch einen breiten Schlitz die gesamte Haubenfläche. Der Abzug erfolgt nach hinten durch die Rumpfröhre und die Austrittskanäle für die Seitenruderseile. Die Gesamtdruckentnahme ist im Oberteil der Seitenflosse installiert. Mit nur 15 m Spannweite und einem mitgelieferten Spornkuller ist die Handlichkeit am Boden gut. Der Einstieg ist problemlos, auch wenn man die Beine etwas unter dem großen Instrumentenbrett einfädeln muß. Weil Spitzenpedale, Rückenlehne und Nackenstütze verstellbar sind, ist die Halbliegeposition auch für große Piloten individuell und optimal einzurichten. Auffallend fest und gut geführt ist die nach vorn hochstellbare Haube, die das Einsteigen sehr erleichtert, und außerdem ist sie in geschlossenem Zustand gut abgedichtet. Die Gesamtauslegung des Cockpits halte ich für vorbildlich: Alle Hebel liegen links, so daß der Knüppelgriff nicht freigegeben werden muß. Die Position des WK-Hebels über dem schwenkbaren Bremsklappenhebel ist ebenso gut wie die des Fahrwerkhebels und der Trimmung. Das Gleiche kann für die Knöpfe der Pedalverstellung Schleppkupplung, Lüftung und de Wasserablaß gesagt werden. Alle Hebel und Knöpfe haben unverwechselbare Symbolbezeichnungen, die auch den Einsatz im Vereinsbetrieb berücksichtigen. Lediglich der am Knüppelgriff montierte Handbremshebel scheint mir ungünstig zu liegen. Selbst bei der gut wirkenden Bremse ist die Handkraft nun einmal der Armkraft unterlegen, wenn man zum Vergleich die am hinteren Anschlag des Bremsklappenhebels zu betätigende Bremse heranzieht. Außerdem war selbst für meine schmale Hand der Griffbereich eingeengt. Von diesem Einzelpunkt abgesehen, fühlte ich mich sehr wohl im Gehäuse und äußerst bequem untergebracht. Die Betätigung aller Steuerungen am Boden zeigte eine nur geringe Reibung. Zum Start wird beim Anrollen die WK-Stellung 2 (also mit negativer Anstellung) empfohlen mit einer anschließenden Wölbung auf Raste 3 (0°) oder sogar 4, wenn etwa 40 km/h überschritten werden. Das bringt bessere Querruderwirkung beim Anrollen und leichteres Abheben in günstigem Anstellwinkel zum Boden. Ich bevorzugte im Schlepp die Stellung 4, die mit +9° der Wölbklappen der Kreisflugstellung entspricht. Die Schlepplage ist dabei nicht zu flach - mit erstklassiger Sicht zur Schleppmaschine.

Kurze Kurvenwechselzeiten

Trotz der Position der Schleppkupplung unmittelbar vor dem Rad zeigt die Maschine keine Übersteuerungstendenzen. Natürlich darf das Fahrwerk erst nach dem Ausklinken eingefahren werden, da die Kupplung voll durch die Fahrwerktüren abgedeckt wird. Nach dem Ausklinken kann das Fahrwerk mit dem üblichen Schwung leicht eingefahren werden. Schon beim Schlepp kann man erkennen, daß die Flügel etwas elastischer sind als die der ASW 15. Diese leichte Durchbiegung wirkt natürlich etwas stabilisierend auf die Längsachse, was sich beim Kreisen mit höherem Lastvielfachem natürlich noch deutlicher auswirkt - aber durchaus nicht nachteilig. Da die Maschine für einige Systeme noch in der Erprobung stand, mußte ich mit stark rückwärtiger Schwerpunktlage fliegen, was schon außerhalb des normalen Bereichs lag. So wirkte natürlich die Trimmung nicht über den ganzen Bereich straff genug. Da bei einer Klappenmaschine allgemein nur wenig getrimmt werden muß, fiel das nur geringfügig auf. Die Lüftung, deren Gesamtanlage hervorragend ist, schien mir schwächer als bei der ASW 17. Offensichtlich entsteht im Flügelanschlußbereich ein leichter Stau, weil die Durchgangsöffnungen nicht groß genug sind. Dies ist wohl inzwischen geändert worden. Das Schiebefenster mit Anstellhutze wirkt erstklassig, besonders wenn man in Bodennähe hart zu kämpfen hat. Die Handhabung aller Hebel an der linken Bordwand ist angenehm und - was die Bedienkräfte anbelangt -wohl dosiert. Eigenschaftsmäßig ist die ASW 20 als vorbildlich zu loben, denn die Steuerwege sind durchweg gering bei ebensolchen Steuerkräften, günstigen Gradienten und sehr guter Abstimmung. Die Ruderwirkungen sind gut, während die Stabilitäten geringfügig differieren. Die verschiedenen Wölbklappenstellungen verändern natürlich in gewissem Maße die Gesamteigenschaften, aber nur in logischer und durchaus sinnvoller Weise. Sicher trägt dazu die große Erfahrung bei, die Gerhard Waibel mit der ausgetüftelten „Mixmaschine" und überhaupt mit seinen erfolgreichen Wölbklappenmaschinen ASW 12 und 17 gesammelt hat. Immerhin gehört er zum bekannten Darmstädter Team, das den ersten großartigen GFK-,,Klappenflieger" D-36 schon 1962 in Arbeit nahm, auf dem er dann 1964 in Roth überlegen Deutscher Meister der offenen Klasse wurde. Ich selbst erinnere mich daran, welchem „Zahn" er an uns Standard-Fliegern vorbeizischte und trotzdem immer höher flog. Das war damals die D-36 V1 „Circe", und sie hat uns Meisterschaftsteilnehmer alle „becirct" und auch etwas neidisch gemacht - nicht im negativen Sinn! Die ASW 20 hat heute eine noch raffiniertere Kinematik, so daß die harmonische Steuercharakteristik in allen Bereichen erhalten bleibt. Dazu kommen noch Leistungen, die sowohl im Kreisflug als auch im Schnellflug zur Spitzenklasse gehören. Die Kurvenwechselzeiten von 45° zu 45° differieren natürlich leicht zwischen den beiden typischen WK-Stellungen 3 und 4, in jedem Falle bezogen auf 1,4xVmm. Bei 100 km/h und Stellung 3 kommt die Stoppuhr im Schnitt nur auf 3,2 Sekunden - bei Inkaufnahme von starkem Schieben sogar auf nur 2,5 s: Das ist bemerkenswert gut. Entsprechend kurz ist auch die Wechselzeit unter Einsatz von koordiniertem Seiten- und Quersteuer bei der Kurbelstellung 4 von durchschnittlich 3,4 s bei 95 km/h. Die ASW 20 ist also ein „wendiges Schiff", und außerdem ist sie aufgrund der Auslegung des Klappensystems sehr schnell.

WK-System erfordert Wissen

Allerdings müssen sich besonders jene Piloten mit dem Klappensystem beschäftigen, die noch nie vorher solche Flugzeuge geflogen haben. Das wird mit der hohen Zahl der Umsteiger auf die in erheblichen Stückzahlen auf den Markt kommenden Flugzeuge der Rennklasse häufig der Fall sein. Nur unter der Voraussetzung, die Aerodynamik eines Wölbklappenflugzeuges verstanden zu haben, ist man auch in der Lage, vernünftig zu trainieren und schließlich optimal zu fliegen. Dazu gehört das Wissen um einige wichtige Punkte, wie z. B. der Einfluß der g-Belastungen (Lastvielfache) und Flächenbelastung auf die bei einem bestimmten Anstellwinkel zu fliegende Geschwindigkeit. Es ist also wichtig, den für einen gewünschten Geschwindigkeitsbereich widerstandsärmsten Anstellwinkel durch Verstellung der Wölbklappen zu erhalten. Wenn die Flächenbelastung konstant bleibt, so ist nur noch das Lastvielfache und eventuell ein erheblicher Höhenunterschied als variable Größe zu berücksichtigen, wobei allerdings der letztere Wert vernachlässigbar ist. Dem Flughandbuch hat die Firma A. Schleicher eine ganze Gruppe von sehr wichtigen Tabellen beigegeben, in der u. a. die widerstandsarmen Geschwindigkeitsbereiche bei den fünf verschiedenen WK-Stellungen in Abhängigkeit vom Lastvielfachen und der Flächenbelastung aufgeführt sind. Eine weitere Tabelle gibt die mit wachsender Höhe sich vermindernden Anzeigewerte auf dem Fahrtmesser für die Vmax bis 13 000 m an. Bei den heute im Leistungssegelflug möglichen Flughöhen in der Welle zeigt auch diese Tabelle dem weniger erfahrenen Leistungssegelflieger deutlich den wachsenden Unterschied zwischen IAS und TAS wenigstens unter Standardbedingungen. Man sollte aber wissen, daß extreme Temperaturdifferenzen vom Standardwert den Unterschied weiter beeinflussen können. Außerdem sind in einer weiteren Tabelle die maximalen Geschwindigkeiten für die fünf WK-Stellungen zusammengestellt. Es ist empfehlenswert, diese Tabellen an gut sichtbarer Stelle der Bordwand anzubringen - nach einigem Training wird man die Daten auswendig wissen. Acht Fahrtmessermarkierungen in verschiedenen Farben unterstützen die Merkfähigkeit. Der auf Wölbklappenflugzeugen Ungeübte muß sich daran gewöhnen, daß bei Flugzuständen ohne Abweichung von der g-Belastung n = 1 im gesamten Geschwindigkeitsbereich der Horizont nahezu unverändert in gleicher Höhe bleibt, womit gleichzeitig angezeigt wird, daß ein widerstandsarmer Anstellwinkel anliegt. Bei der ASW 20 gilt das für den Wechsel zwischen und in den Bereichen der Wölbklappenstellungen von 1 bis 4, dagegen nicht bei Stellung 5 oder bei ausgefahrenen Bremsklappen, wo ja der Widerstand absichtlich erheblich vergrößert wird.

Die Möglichkeiten der Klappen

Weil die WK-Ausschläge den Anstellwinkel gegenüber der Strömung dem gewünschten Flugzustand anpassen, bleiben Rumpf und Leitwerk fast immer im widerstandsarmen Bereich, was die Gleitwinkel im ganzen Geschwindigkeitsbereich sehr flach hält. Dies gilt auch für die Fluglage bis über 250 km/h bei WK-Stellung 1, bei der Wölbklappen und Querruder auf -11° stehen. Die auffallend geringe Geräuschkulisse bei dieser hohen Fahrtstufe ist ein gutes Zeugnis für hervorragende aerodynamische Auslegung und gut dichtende Kabinenhaube. Weil bei einem Wölbklappenflugzeug die Steuerung der Geschwindigkeit weitgehend durch Veränderung der Wölbklappenstellung vorgenommen wird, wird der Knüppel nahezu in gleicher Stellung gehalten - mit der Begleiterscheinung, daß die Trimmung kaum nachgeführt werden muß. Dies ist also ganz anders als bei einem Flugzeug mit starrem Profil. Die WK-Steuerung ist also aktiver einzusetzen als die Höhensteuerung, und sie verändert den Auftrieb des Flügels unmittelbar, wohingegen die Höhensteuerung das nur über die Drehung des ganzen Flugzeuges kann - und entsprechend langsamer. Erst bei Geschwindigkeiten im Bereich über 180 km/h bei WK-Stellung 1 wird ausschließlich durch die Höhensteuerung korrigiert, da in dieser Stellung ein größerer Bereich überdeckt wird. Diese Möglichkeiten, durch zwei Steuerungen (WK- und Höhensteuerung) Einfluß auf den Anstellwinkel und den Auftrieb nehmen zu können, eröffnet natürlich einerseits durch fehlerhafte Kombination von Steuerstellungen Leistungseinbußen, aber andererseits auch Leistungsoptima, wenn der Pilot konzentriert und wohltrainiert die richtigen „Register" zieht, die zu dem betreffenden Flugzustand passen. Dann ist natürlich die Wölbklappenmaschine einem Leistungssegler mit starrem Profil in allen Bereichen überlegen - ebenso wie ein Radfahrer mit Gangschaltung in jeder Lage einem anderen davonfährt, der keine hat. Um aber in der Fliegerei zu bleiben: Ziehen wir den Vergleich zwischen starrer Luftschraube und Verstellpropeller (mit Beta-Range) vor. Bei der ASW 20 werden auf diese Weise widerstandsarme Geschwindigkeitsbereiche zwischen knapp 50 km/h bei mittlerer Flächenbelastung von 33 kg/m2 bis 265 km/h bei maximaler Flächenbelastung von 43 kg/m2 überdeckt. Der glückliche Umsteiger auf eine Wölbklappenmaschine muß sich bei diesem Instrumentarium daran gewöhnen, etwas mehr Einsatz zu zeigen, denn er hat zu seinem taktischen Verhalten bei der Berücksichtigung der meteorologischen Navigation und der Anpassung an die jeweiligen topographischen, also landschaftsgebundenen Verhältnisse, das Niveau seines flugtechnischen Stils unter möglichst optimalem Einsatz der Wölbklappen zu addieren. Für einen echten Leistungssegelflieger ist das trotz Arbeitsanhäufung eine faszinierende Aufgabe, denn der Lohn ist eine enorme Leistungssteigerung beim Streckensegelflug, der ja der Favorit in der Segelfliegerei ist. Bei der noch immer anhaltenden technischen Leistungssteigerung und dem wachsenden Erfahrungsschatz wird das auch in Zukunft so sein.

Harmloses Trudelverhalten

Man kann mit der ASW 20 sehr langsam - also eng - kreisen, wobei der Vogel kein negatives Wendemoment ins Spiel bringt und sehr stabil liegt. In den meisten Fällen wird das mit WK-Stellung 4 erfolgen, wobei die Klappen bei Neutralstellung auf + 9° und die Querruder auf etwa + 7° stehen. Bei einer Schräglage von 30° läßt ruhige Thermik Geschwindigkeiten von unter 80 km/h zu, und bei 45° kann mit etwa 85 km/h gezirkelt werden. In stabiler Lage erscheinen dabei Störungen um Längs- und Hochachse gut gedämpft. Natürlich muß bei ruppigem Wetter etwas schneller geflogen werden, aber die Korrekturen verlangen nur geringe Steuerkräfte und bringen die Maschine exakt in die richtige Lage zurück. Bei großflächigen Aufwindgebieten kann natürlich die Klappenstellung 3 durchaus die günstigere sein, und es kann auch hierbei in einem noch sehr widerstandsarmen Geschwindigkeitsbereich langsam geflogen werden -im Geradeausflug bis unter 90 km/h. Die Gleichgewichtsgeschwindigkeit bei WK-Stellung 3 liegt bei etwa 110 km/h, was zusammen mit der Abreißgeschwindigkeit von 70 km/h in dieser Konfiguration andeutet, daß es sich um eine Maschine mit Wölbklappenprofil handelt. Zu all diesen Werten muß allerdings die Flächenbelastung genannt werden, die bei meinen Flügen in der 15-m-Maschine mit stark rückwärtigem Schwerpunktbereich bei 33 kg/m2 lag. Die Abreißgeschwindigkeit bei WK-Stellung lag bei knapp über 65 km/h, ist also sehr gering. Dabei verhält sich die ASW 20 klassisch und kündigt die Annäherung durch Schütteln im Leitwerk rechtzeitig an. Bei Klappenstellung 3 und 5 kommt zur Warnung noch eine leichte Pumpbewegung hinzu, doch ist diese Lage durch deutliches Nachlassen des Knüppels aus hinterer Position zur Neutralstellung schnell zu beenden. Das Überziehverhalten ist in den verschiedenen Konfigurationen leicht unterschiedlich, aber wegen rechtzeitiger Warnung und klassischem Verhalten als harmlos zu bezeichnen. Die nötigen Gegenmaßnahmen sind konventionell und wirken prompt. Bei meinen Flügen ließ sich die Maschine wegen der rückwärtigen Schwerpunktlage natürlich leichter ins Trudeln bringen als bei normaler Beladung, bei der sich ein richtiger Sackflug durchführen läßt. Bei meinem Falle wurde er von einem Pumpen begleitet. Natürlich läßt in diesen Bereichen die Wirkung der Querruder nach, aber wegen der Differenzierung durch die „Mixmaschine" wird die Wirkung immer in Bereichen gehalten, die ein harmloses Verhalten garantieren. Ich trudelte nach konventionellem Einleiten mit WK-Stellung 3 und 4. In der ersteren Stellung trudelt die ASW 20 nach mittlerer Drehgeschwindigkeit und ebensolcher Längsneigung immer steiler bis zur Annäherung an den Spiralsturz, wohingegen diese Bewegungen bei Stellung 4 zwar in flacherem Winkel erfolgen, aber beim Einleiten williger angenommen werden. Der Einsatz konventioneller Gegenmaßnahmen beendet das Trudeln unverzüglich, aber bei 0° oder gar negativen WK-Stellungen reagiert die Maschine schneller, so daß man auf Nachdrehraten von 'A Umdrehung kommt. Allerdings ist die Lage dann steiler, bei schnellerer Fahrtaufnahme ist auch der Höhenverlust größer. Bei genügend Höhenreserve ist also die Betätigung des Wölbklappenhebels nach vorn in den negativen Bereich und das Ausfahren der Bremsklappen empfehlenswert. Die Neigung, nach vorheriger leichter Taumelbewegung abzukippen, ist nur aus deutlichen Kurvenlagen heraus festzustellen, doch kommt die Ankündigung weich und rechtzeitig, ohne eine Schnappbewegung. Insgesamt sind die Reaktionen und das Verhalten in kritischen Bereichen harmlos und in gutem Sinn klassisch. Interessanterweise sind die Slipeigenschaften auffallend gut, obwohl bei den noch zu beschreibenden erstklassigen Landeeigenschaften wohl selten eine Lage -außer mit starkem Regen oder Gegenlicht - dazu zwingt, durch das geöffnete Fenster die Landebahn zu beobachten. Bei WK-Stellung 4 sind in stabiler Lage mittlere Hängewinkel zu halten, mit der Landestellung 5(+ 55°) nur noch kleinere, so daß mit entsprechenden Schiebewinkeln erheblicher Widerstand erzeugt werden kann. Bei Flugzeugen dieses Leistungsniveaus ist es für die Konstrukteure nicht ganz einfach und billig, auch noch gute Bremsleistungen zu installieren, um auch gute Landeeigenschaften zu bieten. Gerhard Waibel wollte hier keine Kompromisse schließen. Er gab der ASW 20 große Bremsklappen auf der Flügeloberseite mit, deren Wirkung allein bereits gut ist. Voll ausgefahren bringen sie bei 90 km/h in WK-Stellung 3 bereits 3 m/s Sinkrate, bei 100 km/h etwa 4 m/s und bei 110 km/h etwa 6 m/s. Zusammen mit dem leicht auszufahrenden Fahrwerk und den Wölbklappen in Stellung 4 ist die Wirkung bereits enorm, so daß man ungeübten Piloten empfehlen möchte, sich zunächst mit dieser WK-Stellung allein und leichter Zusatzregulierung der BK an die Landeeigenschaften zu gewöhnen. Die Anfluggeschwindigkeit sollte bei etwa 90 km/h liegen, wobei die Überwachung durch die gelbe Dreiecksmarke auf dem Fahrtmesser erleichtert wird.

Beste Landeeigenschaften

Die Bremsklappen lassen sich weich und ohne große Handkräfte regulieren, und die Sicht auf das Landefeld ist durch die Fluglage ausgezeichnet. Die Landestellung 5 verstellt die WK auf +55°, die Querruder dagegen auf -8°, wodurch ein starker Bremseffekt bei zunehmend besserer Querruderwirkung erzielt wird. Die Querruder waren ja bei Stellung 4 noch auf über + 7° angestellt. Diese Umkehrung der Querruderausschlagwinkel bedeutet eine erhebliche Zunahme der Schränkung des Flügels bei gleichzeitigem leichtem Auftriebsverlust, aber großer Bremswirkung, so daß beim Zurückfahren in die WK-Stellung 4 die Gefahr des Durchsackens wegen Auftriebszuwachses kaum befürchtet werden muß. Dennoch sollte diese Phase in sicherer Höhe trainiert werden, damit die ausgezeichneten Landeleistungen und -eigenschaften auch gefahrlos und voll genutzt werden können. Immerhin kann bei 85 Km/h schon in Stellung 4 mit vollen Bremsklappen die Gleitzahl auf unter 7 reduziert werden. In Stellung 5 mit BK wird die Gleitzahl bei nur 85 km/h unter 4 gedrückt, und die ASW 20 verkraftet in dieser Konfiguration noch Geschwindigkeiten bis 65 km/h, ohne in kritische Bereiche zu kommen. Ein sehr sicherer, leicht regulierbarer, langsamer und steiler Anflug auch über hohe Hindernisse ist dadurch möglich.

16,5-m-Version erhältlich

Damit gewinnen auch kleinste Notlandefelder wegen der kurzen Ausrollstrecke an Wert - und ersparen Nervenkraft beim Kämpfen in geringer Höhe. Die Kombination des sehr starken WK-Ausschlags mit den Schempp-Hirth-Bremsklappen unterdrückt den unerwünschten Bodeneffekt. Ich machte mehrere solcher Anflüge direkt querab vom Landekreuz in unglaublich steilem Anflug - Abfangen, Spornlandung und Stehen. Es ist kaum vorstellbar, daß man diese Eigenschaften bei Hochleistungssegelflugzeugen noch viel verbessern kann, denn sie erscheinen jetzt schon optimal. Diese enorm weiten Bereiche bei einem mit nur 15 m Spannweite sehr wendigen Flugzeug zeigen einmal mehr den Leistungssprung, den die Flugzeuge der neuen Rennklasse gegenüber den zweifellos sehr guten Vorgängern aus der Standardklasse vollzogen haben. Es ist also nicht verwunderlich, daß alle Hersteller sich engagiert haben, um der großen Nachfrage nach diesen Wölbklappenflugzeugen gerecht zu werden, denn zweifellos steigt die Zahl der leistungsbewußten und wirklich leistungsfähigen Piloten in der ganzen Welt stark an. Die ASW 20 kam zwar spät ins Rennen, hat aber große Chancen, wie die Lieferfristen den Wartenden leider anzeigen. Bei der mir zum Test zur Verfügung stehenden Maschine handelte es sie um die ASW XV (ix vau)von Edgar Krämer, die auch Versuchszwecken dient. Außer ihrem einziehbaren, voll abdeckbaren Spornrad kann die Spannweite durch zwei aufsteckbare Flügelteile auf 16,5 m vergrößert werden. Die Querruderverlängerungen haben eine automatische Kupplung. Ich hatte die Gelegenheit, in einem ausgedehnten Flug die Leistungen und Eigenschaften mit denen der ASW-20-Konfiguration zu vergleichen. Hier die telegrammartige Zusammenfassung: Geringstgeschwindigkeit in den verschiedenen Klappenstellungen etwa bis zu 5 km/h geringer - auch im Landeanflug; Flügeldurchbiegung etwas stärker; Gleitleistungen größer; dynamische Längsstabilität etwas ausgeprägter; Kurvenlage etwas stabiler; etwas stabiler auch im Sackflug und eher geringere Trudelneigung, die ohnehin klein ist; wegen der Querruderverlängerung nur geringfügig längere Kurvenwechselzeiten von 45° zu 45° - etwa plus 0,1 bis 0,2 Sekunden. Für Wettbewerbspiloten, die zu Hause mit einer leistungsfähigeren Maschine fliegen wollen, oder für Liebhaber der offenen Klasse, die aber Superorchideen wegen ihrer geringeren Handlichkeit am Boden nicht anschaffen wollen, ist diese Kompromißformel gedacht, und ohne Zweifel ist sie aus vielen Gründen verlockend. Insgesamt stellt sich die rassige ASW 20 als eine sehr gelungene Maschine der neuen Rennklasse vor, von der wir als Wettbewerbsflugzeug sicher noch hören werden. Auslegung, Bauqualität, Eigenschaften und Leistungen sind in allen Bereichen erstklassig. Dazu gehört auch die Konzeption des Arbeitsplatzes des Piloten. Die Sitzposition mit der Verstellbarkeit von Pedalen, Rückenlehne und Nackenstütze ist optimal, und durch die Abdeckung ist man gegen Sonneneinstrahlung weitgehend geschützt. Die Steuercharakteristik ist lobenswert, und außerdem ist die ASW 20 für den einfachen Kunstflug zugelassen.

Günstiger Preis der ASW 20

Zwar ist der Gepäckraum, wie üblich in dieser Klasse, sehr begrenzt, aber natürlich ist genügend Platz für eine Batterie, die gesamte 02-Anlage und den Barografen vorgesehen. Durch 2x60 Liter Wasserballast kann das maximale Fluggewicht auf 454 kg gebracht werden, so daß die Flächenbelastung dann 43 kg/m2 ausmacht. Zusammen mit der leicht möglichen Umrüstung (gegen Mehrpreis) auf eine 16,5-m-Maschine ist die Gesamtbeurteilung überdurchschnittlich gut -eine vom Tester nur nach langer Abschätzung erteilte, seltene Note. Zum Jahresende lag der Kaufpreis für den neuen Renner aus Poppenhausen einschließlich Kuller, Sperrtopfantenne in der Seitenflosse und Haubenbezug bei 32 500,- DM plus MwSt. Das ist ein günstiger Preis obendrein. Ab 1978 erhöht sich die MwSt. auf 12%, und man muß wohl damit rechnen, daß auch der Kaufpreis nicht lange gleich bleiben wird.

Technische Daten und Leistungsangaben Schleicher ASW 20

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Flügel: zweiteiliger Doppeltrapezflügel, GFK-Schaumschale, Rovingholm mit Zunge-Gabelverbindung, integriertes Wölbklappen-Querrudersystem über ganze Spannweite mit 4 außenliegenden, verkleideten Antrieben. Schempp-Hirth-Bremsklappen auf Flügeloberseite.
Rumpf: reine GFK-Schale, Vorderteil Doppelschale, Schwerpunktkupplung, nach vorn klappbare Haube, Pedale, Rückenlehne und Nackenstütze verstellbar.
Leitwerk: gedämpftes T-Leitwerk mit eingebauter Antenne. Federtrimmung.
Fahrwerk: ungefedertes Einziehfahrwerk, mechanische Innenbackenbremse, Rad 5.00-5, aerodynamisch geformter, elastischer Schleifsporn.
Spannweite 15 m
Länge 6,82 m
Höhe 1,45 m
Flügelfläche 10,5m2
Streckung 21,43
Rüstgewicht 250 kg
max. Zuladung 115 kg
max. Fluggewicht ohne Ballast 375 kg
max. Ballast 120 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 454 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 32 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 43 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei ruhigem Wetter 270 km/h
bei starker Turbulenz 180km/h
bei Flugzeugschlepp 180 km/h
bei Windenstart 125 km/h
Mindestgeschwindigkeit 65 km/h
geringstes Sinken bei 73 km/h 0,6 m/s
beste Gleitzahl (15m) 43
beste Gleitzahl (16,5m) 45